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Vielfalt im Kinderzimmer: tebalou

Vielfalt im Kinderzimmer: tebalou

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Mein Sohn hat vier Staatsbürgerschaften, er wächst in drei Sprachen auf. Er lebt in einem Land, in dem homosexuelle Paare das Recht zu heiraten haben, in dem jeder seine Religion frei wählen und ausleben darf und Inklusion statt Exklusion praktiziert wird. Ein Land, das sich heute als Einwanderungsland betitelt und sich gleichzeitig mit der Angst vor Überfremdung auseinandersetzen muss. Eine Realität, die mich als Einwanderungskind und Mutter vor die Frage stellt: Wie erziehe ich ein Kind zu einem weltoffenen und uneingenommenen Menschen?

Mit meinem Vorbild und mit der richtigen Literatur und dem richtigen Spielzeug. Denn Spielen ist Lernen. Im Spiel setzen sich Kinder mit sich selbst und ihrer Umwelt auseinander. Bei meiner Recherche nach Diversity Spielzeug, d.h. nach Büchern und Spielzeug, die unsere Lebensrealität - unser Umfeld - widerspiegeln, bin ich auf den Onlineshop tebalou gestoßen. Tebalou verkauft Produkte für alle Kinder unabhängig von ihrem Geschlecht, ihrer Hautfarbe, Familienkonstellation oder Religion. Ich habe mit den Gründerinnen Olaolu Fajembola und Tebogo Niminde-Dundadengar über Vielfalt in deutschen Kinderzimmern und Kinderwelten gesprochen.

Wie seit ihr auf die Idee gekommen Tebalou zu gründen?
Die Idee tebolou zu gründen ist aus zwei Gründen entstanden, welche jedoch eng miteinander verknüpft sind. Wir sind beide in Deutschland aufgewachsen und haben uns selbst nie in unseren Kinderbüchern oder unserem Spielzeug repräsentiert gesehen. Als Mütter mussten wir feststellen, dass sich zwar eine Änderung einstellt, es jedoch immer noch schwierig ist Bücher oder Spiel- und Bastelmaterialien zu finden, welche die Vielfalt unserer Gesellschaft repräsentieren. Während der Vorbereitung und Recherche zur Unternehmensgründung ist uns aufgefallen, dass dieser Mangel on Repräsentation nicht nur uns, sondern auch viele andere Gruppen (Kinder mit Behinderung, Familien unterschiedlichster Religionen und Familienkonstellationen etc) betrifft.

Weil wir in unserem privaten als auch beruflichen Umfeld mitbekommen haben, dass der Bedarf und der Wunsch nach vielfältigen Kinderbüchern und Spielzeug da ist, jedoch viele nicht so genau wussten, wo sie entsprechende Produkte finden, haben wir uns entschlossen tebolou zu gründen.

Was unterscheidet tebalou von anderen Onlineshops fur Kinder?
tebolou unterscheidet vor allem der inhaltliche Ansatz von anderen  Onlineshops. Wir stehen für Vielfalt im Spielzimmer. Neben der hohen Qualität und dem pädagogischen Anspruch achten wir insbesondere darauf, dass die Produkte, die wir anbieten vorurteilsbewusst und diskriminierungssensibel sind.

Und wie kommt tebalou an?
Zurn Glück können wir berichten, dass tebolou sehr gut ankommt. Wir bekommen sehr viele Nachrichten, in denen Menschen uns ihren Dank aussprechen und uns Fotos Ihrer Kinder schicken, die ganz verzückt sind von ihrem neuen Lieblinsgsspielzeug aus unserem Sortiment.

Insbesondere freuen wir uns, dass unser Angebot auch von pädagogischen Einrichtungen sehr gut angenommen wird. Auch hier nimmt immer mehr das Bewusstsein zu, dass die Lebensrealitäten und die Vielfalt der Kinder, welche die Einrichtungen besuchen sich oft nicht ausreichend in den angebotenen Materialien widerspiegelt.

Zusätzlich konnten wir uns letztes Jahr über drei Preise freuen, in denen unsere Arbeit anerkannt wurde. Zurn einen haben wir den 2. Jurypreis beim Unternehmerhelden Award 2019 erhalten und den BAOBAB Preis 2019 in der Kategorie Antidiskriminierung/ Vielfalt. Zusätzlich ist Tebolou Kultur- und Kreativpilot 2019, dies ist die höchste Auszeichnung des deutschen Wirtschafts- und Kultusministeriums im Bereich der Kultur- und Kreativwirtschaft.

Müsst ihr euch auch mal mit negativen Kommentaren auseinandersetzen?
Negative Kommentare können wir zum Glück an einer Hand abzählen. Außerdem handelte es sich dabei immer um Personen, die nicht an einem echten Dialog interessiert waren. Wir sind Expertinnen in dem was wir tun, jedoch natürlich nicht unfehlbar. Darum sind wir immer an konstruktiver Kritik interessiert.

Wo und wie findet ihr eure Produkte? Wie schwierig oder einfach ist das?
Die Produkte finden wir klassisch auf Spielwarenmessen und in Katalogen. Schwierig  ist das Ganze in dem Sinne, dass wir oft Hunderte von Seiten eines Katalogs durchblättern, um dann drei für uns geeignete Produkte zu finden. Gleichzeitig ist es inzwischen dankenswerter Weise so, dass Produzent/innen und Verleger/innen an uns herantreten und interessante Produkte vorschlagen. Zusätzlich kennen wir den Markt  inzwischen recht gut und wissen welche Verlage oder Unternehmen auf vielfältige Darstellungen Wert legen.

Wie wichtig ist es für Kinder Spielzeug zu haben mit dem sie sich identifizieren können und Spielzeug, das unterschiedliche Lebensmodelle und Menschen zeigt?
Wir sind uns sicher, dass dieser Punkt extrem wichtig ist. Gestützt wird diese Annahme zum einen durch Erwachsene, die uns sagen, dass es einen großen Unterschied für sie gemacht hätte, wenn sie entsprechendes Spielzeug in ihrer Kindheit gehabt hätten, außerdem durch Studien, welche sich mit der Entstehung von Vorurteilen und der Entwicklung eines gesunden Selbstwerts beschäftigen.

Kinder brauchen Vorbilder, mit denen sie sich identifizieren können.
— Olaolu Fajembola & Tebogo Niminde-Dundadengar

Inzwischen gehört es wohl zum Allgemeinwissen, dass Mädchen und Frauen weibliche Vorbilder z.B. in Führungspositionen brauchen, um sich selbst in diesen vorstellen zu können. So verhält es sich auch mit allen anderen Lebensbereichen.

Wenn bestimmte Menschen und ihre Lebensrealitäten in Kinderbüchern und Spielzeug keinen Platz finden oder nur in problematisierender Weise, prägt dies auch das Bild, wie sie gesellschaftlich wahrgenommen werden. Nämlich als nichtwichtig und ihre Geschichten als nicht wertvoll.

Denkt ihr, dass durch Diversität im Kinderzimmer offene und tolerante Erwachsene heranwachsen?
Daran glauben wir ganz fest. Ansonsten müssten wir uns fragen, welchen Wert unsere Arbeit hat. Kinder, die von Anfang an mit der Normalität aufwachsen, dass es gleichgeschlechtliche Elternpaare gibt werden mit großer Wahrscheinlichkeit nicht homophob. Dies ist nur ein Beispiel und lässt sich auf viele andere übertragen.

Deutschland ist ein Einwanderungsland. Könnt ihr euch erklären. warum gerade hier aber noch so wenig Diversität im Kinderzimmer gelebt wird?
Die Idee, dass Deutschland ein Einwanderungsland ist, ist ja geschichtlich gesehen relotiv neu. Wenn wir uns die Geschichten von Menschen anhören, welche den Prozess einer Einbürgerung oder dem Streben  nach einem Aufenthaltstitel durchlaufen merken  wir, dass diese Idee in deutschen Gesetzbüchern noch nicht angekommen ist. Viele Menschen wissen nicht, dass es Personen gibt, welche über Jahre in unserem Land leben ohne zu wissen, ob ihnen eventuell in 6 Monaten die Abschiebung droht. Es scheint zusätzlich eine diffuse Angst vor Überfremdung und dem Verlust der eigenen Identität zu geben. Dies ist gleichzeitig mit Rassismus verwoben in dem Sinne, dass diese Angst sich ja nicht auf Einwanderer aus Schweden, den Niederlanden oder der Schweiz erstreckt.

Was wünscht ihr euch für dir Zukunft unserer Kinder?
Mit dem Blick auf die letzten Tage und Wochen, insbesondere mit Blick auf Hanau wünschen wir uns, dass die Politik und alle gesellschaftlichen Akteure verstehen, dass der Nährboden für rassistische Taten über die letzten Jahre bereitet wurde. Die Themen Antirassismus und Antidiskriminierung müssen strukturell fest verankert werden.
Hier sehen wir die große Chance in unserem Bildungssystem. Dieses muss sich explizit zu einer Haltung derAntidiskriminierung bekennen und Themen wie Rassismus, Sexismus, Homophobie, Behindertenfeindlichkeit und allen Formen von Hass, Diskriminierung und Ausgrenzung entschieden entgegengetreten.

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Die Gründerinnen

Olaolu Fajembola ist Kulturwissenschaftlerin (MA) und Co-Gründerin von tebolou. Sowohl beruflich als auch akademisch beschäftigt sie sich bereits seit vielen Jahren mit dem Ansatz der Diversität und der Migratipnsforschung. Neben langjähriger Erfahrung bei der Berlinale war sie als Projektleiterin bei unterschiedlichstem Kulturprojekte beschäftigt. Im Jahr 2016 erschien ihr erstes Buch ,,Afrokids - Ein Ratgeber für die ersten Lebensjahre Schwarzer Kinder". Dieses stellte das erste Buch dieser Art dar, in der ein expliziter Fokus auf spezifische Erziehungsfragen, Lebensrealitäten, Umgang mit Diversität und Vorbildern gelegt wird. Sie ist Mutter einer Tochter und lebt in Berlin.

Tebogo Niminde-Dundadengar ist Psychologin  (B Sc)  und  Co-Gründerin  von  tebolou. Sie ist in Botswana geboren und lebt seit ihrem vierten Lebensjahr in Deutschland. Schwerpunkte ihrer Studien waren entwicklungspsychologische Themen als auch Diversity Management, insbesondere im Arbeitskontext. Sie hat  langjährige  Erfahrung als Seminar- und Workshopleiterin in der politischen Bildung mit Schwerpunkt Diskriminierung und Rassismus. Tebogo ist Mutter von 3 Kindern und lebt in Berlin.


My son has four citizenships, he is growing up in three languages. He lives in a country where homosexual couples have the right to marry, where everyone is free to choose and practice their religion, and where inclusion is practised. A country that today calls itself an immigration country and at the same time has to deal with the fear of foreigners. A reality that confronts me as an immigrant child and mother with the question: How do I raise a child to be a cosmopolitan and open-minded person?…

… with my role model and with the right literature and toys. Because playing is learning. Whilst playing, children deal with themselves and their environment. During my research for books and toys that reflect our life reality - our environment - I came across the online shop tebalou. Tebalou sells products for all children regardless of their gender, skin color, family constellation or religion. I spoke with the founders Olaolu Fajembola and Tebogo Niminde-Dundadengar about diversity in German children's rooms.

How did you come up with the idea for tebalou?
The idea for tebolou arose for two reasons, which are closely connected. We both grew up in Germany and have never seen ourselves represented in our children's books or toys. As mothers we had to realize that although a change is taking place, it is still difficult to find books or toys and craft materials that represent the diversity of our society. During the preparation and research for the foundation of the company we noticed that this lack of representation does not only affect us but also many other groups (children with disabilities, families of different religions and family constellations and so on). Because we noticed in our private and professional environment that there is a need and desire for a wide variety of children's books and toys, but many of them did not know exactly where to find them, we decided to found tebolou.

What is different about tebalou in comparison to other online shops for children?
Tebalou differs from other online shops mainly in its content approach. We stand for variety in the playroom. In addition to high quality and educational standards, we pay particular attention to ensuring that the products we offer are prejudiced and sensitive to discrimination.

How is Tebalou received?
Luckily we can report that tebolou is very well received. We get lots of messages in which people thank us and send us photos of their children who are delighted with their new favourite toy from our shop. We are especially pleased that our offer is also very well received by educational institutions. Here, too, there is a growing awareness that the realities of life and the diversity of the children who visit the facilities are often not sufficiently reflected in the materials offered. Last year we were also able to celebrate three prizes in which our work was recognized. Firstly, we received the 2nd Jury Prize at the Unternehmerhelden Award 2019 and the BAOBAB Prize 2019 in the category Antidiscrimination/Diversity. In addition, twbalou is Kultur- und Kreativpilot 2019, the highest award of the German Ministry of Economics and Culture in the field of culture and creative industries.

Do you also have to deal with negative comments?
Fortunately, we can count negative comments on one hand. Besides, they were always about people who were not interested in a real dialogue. We are experts in what we do, but of course not infallible. That is why we are always interested in constructive criticism.

Where and how do you find your products? How difficult is that?
We find our products classically at toy fairs and in catalogues. The whole thing is difficult in the sense that we often leaf through hundreds of pages of a catalogue in order to find three suitable products. At the same time, we are grateful that producers and publishers approach us and suggest interesting products. In addition, we now know the market quite well and know which publishers or companies attach great importance to diverse presentations.

How important is it for children to have toys they can identify with and toys that show different life models and people?
We are sure that this point is extremely important. This assumption is supported on the one hand by adults who tell us that it would have made a big difference for them if they had had toys in their childhood, and on the other hand by studies on the development of prejudice and healthy self-esteem. Children need role models with whom they can identify. It is probably part of general knowledge that girls and women need female role models, e.g. in management positions, in order to be able to imagine themselves in these positions. This is also true for all other areas of life. If certain people and their realities of life find no place in children's books and toys or only in a problematising way, this also shapes the image of how they are socially perceived. Namely as unimportant and their stories as not valuable.

Do you think that through diversity in the children's room open and tolerant adults grow up?
We firmly believe in this. Otherwise, we would have to ask ourselves what value our work has. Children who grow up with the normality that there are same-sex parent couples from the very beginning are unlikely to become homophobic. This is only one example and can be applied to many others.

Germany is an immigration country. Can you explain to yourselves why there is so little diversity in the children's room?
The idea that Germany is an immigration country is historically relatively new. When we listen to the stories of people who are going through the process of naturalization or striving for a residence permit, we realize that this idea has not yet arrived in German law books. Many people do not know that there are people who have been living in our country for years without knowing whether they might be deported in 6 months. There seems to be a diffuse fear of alienation and loss of identity. This is also interwoven with racism in the sense that this fear does not extend to immigrants from Sweden, the Netherlands or Switzerland.

What do you wish for the future of our children?
Looking back over the last days and weeks, especially with regard to Hanau, we wish that politicians and all social actors understand that the breeding ground for racist acts has been prepared over the last few years. The issues of anti-racism and anti-discrimination must be firmly anchored structurally. Here we see the great opportunity in our education system. It must explicitly commit itself to an attitude of anti-discrimination and resolutely oppose issues such as racism, sexism, homophobia, hostility towards the disabled and all forms of hatred, discrimination and exclusion.

The founders

Olaolu Fajembola is a cultural scientist (MA) and co-founder of tebolou. Both professionally and academically, she has been working for many years on the approach of diversity and migration research. In addition to many years of experience at the Berlinale, she has worked as a project manager on a wide variety of cultural projects. In 2016 her first book "Afrokids - A Guide for the First Years of Black Children" was published. This was the first book of its kind to focus explicitly on specific educational issues, life realities, dealing with diversity and role models. She is mother of a daughter and lives in Berlin.

Tebogo Niminde-Dundadengar is a psychologist (B Sc) and co-founder of tebolou. She was born in Botswana and has lived in Germany since the age of four. Her studies focused on developmental psychology as well as diversity management, especially in the work context. She has many years of experience as a seminar and workshop leader in political education with a focus on discrimination and racism. Tebogo is mother of 3 children and lives in Berlin.

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